In unserer Arbeitsgruppe beschäftigen wir uns Mechanismen der neuronalen Plastizität.
Neuronale Plastizität ist die Fähigkeit des Gehirns, seine strukturelle und funktionelle Organisation veränderten Bedingungen anzupassen. Neuronale Plastizität ist eine fundamentale Eigenschaft des Gehirns und ist die zelluläre Grundlage von Lernen und Gedächtnis. Plastische Veränderungen auf neuronaler Ebene finden sich aber auch bei Erkrankungen wie der mentalen Retardierung, der Depression und bei neurodegenerativen Erkrankungen, wie Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson.
Morphologische Änderungen, die im Zusammenhang mit der neuronalen Plastizität stehen, finden sowohl auf zellulärer Ebene (z.B. adulte Neurogenese), als auch auf subzellulärere Ebene (z.B. Veränderungen an den dendritischen Dornen) statt.
Adulte Neurogenese, die mit Lern- und Gedächtnisprozessen im Zusammenhang steht, findet in einem Bereich des Hippocampus statt. Im Verlauf des Alterns, als auch bei einigen Erkrankungen, kommt es zu Veränderungen der neuronalen Plastizität, die von Veränderungen der Neurogeneserate im Hippocampus begleitet sein können.
Adulte Neurogenese kann in Phasen, in denen es zu proliferativen Vorgängen kommt, in Phasen der zellulären Differenzierung und in Phasen, in denen es zur Migration der Zellen und der synaptischen Integrierung kommt, unterschieden werden. Während all dieser Phasen werden von den Zellen spezifisch Markerproteine exprimiert, die es erlauben eine sehr detaillierte Untersuchung durchzuführen.
Unter Verwendung solcher Marker können wir erforschen, welche Bedeutung die adulte Neurogenese für die Gehirnarchitektur und das Lernverhalten hat und welche Faktoren darauf einwirken.
Ausgewählte eigene Publikationen:
Dendritische Dornen sind kleine postsynaptische Strukturen die an der Bildung erregender Synapsen beteiligt sind. Diese Strukturen sind entscheidend an neuronaler Plastizität beteiligt. Beispielsweise kann Lernen die Anzahl dendritischer Dornen erhöhen. Veränderungen der Anzahl oder der Morphologie dendritischer Dornen findet man auch bei Erkrankungen, wie bei der Depression oder bei einigen Formen der mentalen Retardierung.
In unseren Projekten untersuchen wir welche genetischen Faktoren, Erkrankungen und Umweltbedingungen Einfluss auf die Dichte und Morphologie der dendritischen Dornen haben und ob diese Veränderungen Einfluss auf Lernen, Gedächtnisbildung und Verhalten haben.
Ausgewählte eigene Publikationen:
Eine beeinträchtigte neuronale Plastizität kann durch mangelnde Stimulation oder Aktivierung neuronaler Netzwerke bedingt sein. Dies kann sowohl durch Umweltfaktoren, als auch genetische Faktoren bedingt sein. Beeinträchtigungen der neuronalen Plastizität werden als zentraler pathophysiologischer Mechanismus einer Vielzahl neuropädiatrischer und neurologischer Krankheitsbilder angesehen. Viele Gene, die bei der neuronalen Plastitität eine Rolle spielen haben Einfluss auf Lernen und Gedächtnis. Defekte in diesen Genen können beim Menschen zu verändertem Verhalten und geänderten Lern- und Gedächtnisleistungen führen. Dies kann mit relativ milden Veränderungen einhergehen, aber auch mit gravierenden Einschränkungen, die zum Teil bei neurologischen Entwicklungsstörungen auftreten und zu intellektuellen Beeinträchtigungen führen können.
Verminderte adulte hippocampale Neurogenese geht mit reduzierter Lern- und Gedächntisfähigkeit einher und wird oft im Zusammenhang mit Depressionen diskutiert. Die Identifizierung von Faktoren, die positive Wirkung auf die adulte hippocampale Neurogenese haben, könnte eine wichtige Rolle bei der zukünftigen Behandlung von Krankheiten spielen, die Einfluss auf die adulte hippocampale Neurogenese haben. In diesem Zusammenhang werden einige Wachstumsfaktoren als vielversprechende Kandidaten angesehen.
Veränderungen in der Struktur und Dichte dendritischer Dornen können zu veränderter neuronaler Plastizität führen. Altern bedingt nicht nur eine Abnahme gewisser Lern- und Gedächtnisleistungen, sondern geht mit einer Reduktion dendritischer Dornen einher. Genetische Defekte, die zu Veränderungen der Morphologie und Funktionalität von dendritischen Dornen führen, werden für mitverantwortlich für schwere Defizite bei Lern- und Gedächtnisprozessen mitverantwortlich gemacht.
Unter dem Begriff „Spinopathie“ werden neurodegenerative Erkrankungen zusammen gefasst, die die dendritischen Dornen betreffen. Spinopathien können durch synaptische Dyskunktionen, Verlust von dendritischen Dornen oder durch Protein Aggregationen (wie beispielsweise bei Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson zu beobachten) hervorgerufen werden. Spinopathien können kognitive Fähigkeiten (wie Lernen und Gedächtnis) stark einschränken. Da Spinopathien zu den neurodegenerativen Erkrankungen zählt, gibt es noch keine Möglichkeit der Heilung. Jedoch scheinen einige Therapien hilfreich zu sein. Mit unseren Arbeiten in dem Bereich der Rolle der dendritischen Dornen bei der neuronalen Plastizität möchten wir auch untersuchen, welche Therapien sinnvoll sein könnten und welche Signalwege dabei beteiligt sein könnten.
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Wachstumsfaktoren, wie beispielsweise die Fibroblasten-Wachstumsfaktoren, GDF-15 ("growth / differentiation factor 15") oder die Mitglieder der Familie der Neurotrophine spielen entscheidende Rollen bei der Gehirnentwicklung. Jedoch sind diese Faktoren, zusammen mit ihren spezifischen Rezeptoren, auch postnatal im Gehirn vorhanden. Diese Faktoren übernehmen nicht nur wichtige protektive Funktionen im Gehirn, wie beispielsweise im Zusammenhang mit Morbus Parkinson, sondern sind unter physiologischen Bedingungen auch an Lern- und Gedächtnisvorgängen beteiligt. Fehlregulationen der Wachstumsfaktorsysteme scheinen an Depressionserkrankungen beteiligt zu sein. Derzeit beschäftigen wir uns vor allem mit den Mitgliedern der Neurotrophine, wie dem "brain-derived neurotrophic factor" (BDNF), und dem "nerve growth factor" (NGF). Die Neurotrophine signalisieren sowohl über hochaffine trk-Rezeptoren als auch über den nieder-affinen Rezeptor p75NTR. Eine Defizienz für den BDNF-spezifischen Rezeptor trkB führt beispielsweise zu Veränderungen auf Ebene der dendritischen Dornen im Hippocampus. P75NTR-defiziente Mäuse weisen nicht nur Veränderungen im Verhalten und auf Ebene der dendritischen Dornen auf, sondern auch Veränderungen der cholinergen Innervation des Vorderhirns.
BDNF ist einer der wichtigsten Mitglieder der Familie der Neurotrophine und ist an der Regulation zahlreicher essentieller Prozesse wie der Neurogenese, dem Überleben und der Differenzierung von Neuronen beteiligt. Zudem spielt BDNF eine essentielle Rolle bei der neuronalen Plastizität und bei Lern- und Gedächtnisvorgänge. BDNF schein aber auch bei der Essensregulation beteiligt zu sein. Wie alle Neurotrophine wird es zunächst als größeres Vorläuferprotein, pro-BDNF, größtenteils im Gehirn exprimiert und durch intrazelluläre oder extrazelluläre Spaltung in die reife Form überführt. Das reife BDNF bildet durch Cystein-vermittelte Dimerisierung ein biologisch aktives Homodimer. Seine biologische Wirkung vermittelt BDNF dann durch Bindung und aktivierung des jeweiligen Rezeptors.
Wie genau die Signalvermittlung durch BDNF bei Prozessen wie z.B. beim Lernen oder bei der Essensregulation funktioniert, untersuchen wir mithilfe von verschiedenen Mausmodellen. Es ist bekannt, dass sowohl die Expression von TrkB auch von BDNF auf bestimmte Regionen oder sogar einzelne Neuronentypen begrenzt ist.
Wir gehen derzeit folgenden Fragen nacn
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Einfluss von Genen, die eine mögliche Rolle bei neurologischen Entwicklungsstörungen spielen
Eine Reihe von Genen sind inzwischen beschrieben worden, die in ihrer mutierten Form bei Menschen zu schwerwiegenden Störungen der Lern- und Gedächtniskapazität führen. Basierend auf diesen Gendefekten sind inzwischen eine Vielzahl von Mausmodellen generiert worden, die es erlauben die Rolle und Funktion dieser Gene zu untersuchen. Dies kann dazu führen, dass die Rolle dieser Gene bei Lern- und Gedächtnisprozessen besser verstanden wird. Wenn man Einblick in die involvierten Signalkaskaden erhält, dann besteht die Hoffnung, dass die Defizite, die durch die fehlerhafte Expression der Gene bedingt sind, abgemildert oder überdeckt werden können.
Die jeweiligen Mausmodelle zeigen sehr häufig Veränderungen der dendritischen Dornen und zum Teil auch makroskopische Veränderungen im Gehirn einschließlich einer Vergrößerung der Ventrikel. Makroskopische Veränderungen können z.B. mit Hilfe von MRT Bildgebung untersucht werden.
In Kooperationsprojekten untersuchen wir genetisch veränderte Tiere, um Einblick in die strukturellen Veränderungen auf makroskopischer, wie auch zellulärer und subzellulärer Ebene zu bekommen, die ursächlich mit neurologischen Entwicklungsstörungen (die zu starken intellektuellen Einschränkungen führen können) in Zusammenhang stehen könnten. Insbesondere fokussieren wir uns auf die Untersuchung von neuroanatomischen Korrelaten, aber auch elektrophysiologischen Korrelaten, der neuronalen Plastizität mit einem Fokus auf die hippocampale Formation, die Amygdala und den Cortex. Zumeist untersuchen wir Tiermodelle, bei denen Gene, die im Zusammenhang mit neurologischen Entwicklungsverzögerungen beim Menschen stehen, verändert wurden, wie beispielsweise FTSJ1, PIANP oder SRGAP3.
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