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UMG
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Ein Geheimnis des Erfolges liegt in der umfangreichen Charakte-
risierung der Probanden, die von Millionen Daten aus dem Erbgut
bis hin zur ganzheitlichen Untersuchung im MRT reicht. Ein an-
derer Grund ist in dem hohen Standard zu sehen, mit dem diese
Untersuchungen
durchgeführt
werden. Die hohe Qualität der Da-
ten ermöglicht es vielen Wissen-
schaftlern, SHIP für ihre Zwecke
zu nutzen, ohne die Daten über-
prüfen zu müssen.
Epidemiologie arbeitet an der
Schnittstelle zwischen Wissen-
schaft und Politik. Einerseits wer-
den Grundlagen der Entstehung
von
Erkrankungen
erforscht,
andererseits liefern epidemiolo-
gische Studien wichtige Informa-
tionen zum Gesundheitszustand
einer Bevölkerung, die politische
Entscheidungen über Präventi-
onsmaßnahmen erleichtern. Es ist
kein Zufall, dass SHIP einen hohen
Raucheranteil unter jungen Vor-
pommern nachwies und das ini-
tiale Nichtraucherschutzgesetz in
Mecklenburg-Vorpommern eines
der strengsten im Vergleich zu an-
deren deutschen Bundesländern
war.
In vielen Regionen der Welt er-
kennen Forscher und Politiker den
Wert epidemiologischer Studien
und wünschen sich ähnliche Da-
ten aus ihrer Bevölkerung. Aller-
dings erkennen sie auch, dass eine solche Studie nicht so einfach
zu bewerkstelligen ist; der Teufel steckt im Detail: Wie motiviere
ich Menschen zur Teilnahme an medizinischen Untersuchungen,
die überwiegend gar nicht krank sind? Was benötige ich an IT-
Infrastruktur? Wie schaffe ich es, dass viele Untersucher möglichst
vergleichbare Daten untereinander erheben? Wie gewährleiste
ich die Vergleichbarkeit meiner Daten mit denen anderer
Studien? Wie gehe ich mit Zufallsbefunden um?
In den letzten anderthalb Jahrzehnten wurden Antworten auf
diese Fragen gefunden. SHIP INTERNATIONAL stellt die hieraus
resultierenden Erfahrungen und Instrumente anderen Regionen
Die vorpommersche SHIP hat sich in den letzten Jahren zu einer
der führenden Bevölkerungsstudien weltweit gemausert.
forschung & lehre
Gesundheitsprobleme weltweit entdecken –
SHIP wird international
der Welt zur Verfügung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Andere
können mit möglichst geringem Vorlauf valide Daten in Bevölke-
rungsstudien erheben, und der Forschungsverbund Community
Medicine Greifswald profitiert von der guten Vergleichbarkeit der
internationalen Daten mit denen
der vorpommerschen SHIP. Dies
ermöglicht z. B. die Bestätigung
zunächst unsicherer wissenschaft-
licher Erkenntnisse in Bevölkerun-
gen mit anderem ethnischen und
kulturellen Hintergrund.
Die erste SHIP-Schwester wird
in Brasilien starten. Mitte des 19.
Jahrhunderts gab es Auswande-
rungswellen von Europäern nach
Südamerika. Eine überwiegend
aus Pommern stammende Ge-
meinde siedelte sich im heutigen
Bundesstaat Santa Catarina an.
Über die letzten 150 Jahre be-
wahrten auch Folgegeneratio-
nen pommersche Kultur und Le-
bensgewohnheiten. Die damals
gegründeten Städte Blumenau
und Pomerode sind noch heute
geprägt durch deutsch-pommer-
sche Architektur, Essgewohnhei-
ten und Lebensstil. Ähnlich den
deutschen Vorpommern wird
den brasilianischen Pommern
ein Hang zum Alkohol und Über-
gewicht nachgesagt. Belastbare,
wissenschaftliche Daten gibt es
dazu allerdings nicht. Brasilia-
nische Kollegen der Universität
Blumenau haben nun die erste Million Euro eingeworben, um ihr
SHIP-Untersuchungszentrum zu etablieren und erste Datenerhe-
bungen durchzuführen.
Inzwischen wollen sich weitere Kollegen aus vier Kontinenten an
SHIP INTERNATIONAL beteiligen. Von der einst belächelten Pom-
mern-Jolle zur internationalen Flotte – die Geschichte der SHIP
bleibt spannend.
Prof. Henry Völzke,
Dr. Carsten O. Schmidt,
Dr. Marcello Markus