Signaltransduktion im Pankreas

Grundlagen

Cholezystokinin (CCK) wurde ursprünglich als 33 Aminosäuren langes Peptidhormon aus dem Zwölffingerdarm des Schweins isoliert, kommt aber darüber hinaus in einer Reihe biologisch aktiver molekularer Varianten vor, darunter das Neurotransmitter-Peptid CCK-8S (1,2). Im Gastrointestinaltrakt wird die CCK-Freisetzung durch spezifische Nahrungsbestandteile (Fettsäuren und Proteine) induziert und stimuliert nachfolgend die Enzymsekretion pankreatischer Azinuszellen. Supraphysiologische Konzentrationen von CCK, oder dessen Homolog Caerulein, aktivieren den 'low affinity state' des CCK-Rezeptors, führen zu einer Blockade der Enzymsekretion im Pankreas und induzieren sowohl bei Labortieren als auch beim Menschen eine akute Pankreatitis (3). Innerhalb weniger Tage heilt diese Erkrankung zumeist wieder aus und geschädigtes Pankreasgewebe wird regeneriert, woran CCK wiederum in entscheidender Weise beteiligt ist. So lässt sich die Geweberegeneration nach einer Caerulein-induzierten Pankreatitis durch Gabe des CCK-Rezeptor-Antagonisten L364,718 inhibieren (4).

 

Pharmakologisch lassen sich zwei Subtypen von Cholezystokininrezeptoren (CCKA-R und CCKB-R) unterscheiden, die zur Familie der G Protein-gekoppelten "seven-transmembrane"-Rezeptoren gehören. Diese Differenzierung erfolgt auf Grund der höheren Bindungsaffinität von sulfatiertem CCK8 an CCKA-R, bzw. geringerer Bindungsaffinität von sulfatierten und nicht -sulfatierten CCK-Analogen an CCKB-R (5,6). Während der CCKB-Rezeptor überwiegend im Gehirn und Magen exprimiert wird und z.B bei der Wahrnehmung von Hunger und Sättigung eine wichtige Rolle spielt, liegt die Funktion des CCKA-Rezeptors hauptsächlich im Bereich des Pankreas und des Gastrointestinaltraktes. CCKA-Rezeptoren lassen sich auch in bestimmten Hirnbereichen nachweisen, dagegen wird die Existenz von CCKB-Rezeptoren speziell im Pankreas wiedersprüchlich diskutiert. Eine mögliche Ursache kann in spezies-spezifischen Expressionsunterschieden der Rezeptorsubtypen liegen. Neuere Untersuchungen scheinen eine spezifische Expression der CCKB-Rezeptoren in den d -Zellen des Pankreas zu bestätigen (7).

 

Beide Rezeptorsubtypen aktivieren Phospholipase C mit nachfolgender Generierung von Inositol 1,4,5-triphosphat und Diaclglycerol und bewirken dadurch die Freisetzung von Ca2+ aus intrazellulären Speichern, sowie die Translokation und Aktivierung der Protein Kinase C. Die CCKB-Rezeptor-vermittelte PLC b-Aktivierung wird dabei nicht durch Pertussis-Toxin inhibiert, was eine Aktivierung über ein Gq-gekoppeltes G-Protein nahelegt (8). Ferner scheint auch eine PLA2-Aktivierung bei der Induktion von Ca2+ -Oszillationen, welche nachfolgend die Amylasesekretion regulieren, involviert zu sein (9). Somit aktiviert der CCKB-Rezeptor zwei unterschiedliche Signalwege durch Koppelung an zwei verschiedene G-Proteine(10).

 

Nachdem CCK an einen der CCK-Rezeptoren bindet, läßt sich in den Azinuszellen des Pankreas auch eine gesteigerte Tyrosinphosphorylierung verschiedener zellulärer Proteine beobachten (11). Desweiteren läßt sich die zeit- und dosisabhängige Aktivierung von MAP-Kinase und p74 raf-1 Kinase nachweisen, die unabhängig von einer Aktivierung der PKC erfolgt. Ein mitogenes Potential von CCK konnte in CHO-Zellen detektiert werden, die entweder mit CCKA-R oder CCKB-Rezeptoren transfiziert wurden. In beiden Zellinien führt die Stimulation mit CCK-8 zur Aktivierung von p44 MAPK und p42 MAPK (12).

 

CCK kontrolliert somit verschiedene zelluläre Funktionen. Im exokrinen Pankreas ist zum einen der G-Protein-gekoppelte Signaltransduktionsmechanismus durch die Ca2+-Freisetzung eng mit der Regulation der Sekretion ('high affinity receptor') und der Entstehung der experimentellen Pankreatitis ('low affinity receptor') verknüpft. Zum anderen spielt CCK eine wichtige Rolle als Mitogen für Azinuszellen und ist entscheidend an der Organregeneration nach einer Pankreatitis beteiligt (13). Das letztere Ereignis ist unabhängig von der G-Protein-gekoppelten Funktion des CCK-Rezeptors und steht vermutlich in Zusammenhang mit der Aktivierung von Tyrosinkinasen. Untersuchungen zum 'cross-talk' zwischen dem CCK-Rezeptor und der Tyrosinkinasen-vermittelten Signaltransduktion sind deshalb von großer pathophysiologischer Relevanz.

Literatur zu Grundlagen

  1. Mutt V, Jorpes JE. (1968) Structure of porcine cholezystokinin-pancreozymin. Eur. J. Biochem. 6: 156-162
  2. Rehfeld JF, Holst JJ, Jensen SL (1982) The molecular nature of vascularly released cholecystokinin from the isolated perfuse porcine duodenum. Regul Pept. 3: 15-28.
  3. Renner IG, Wisner JR Jr, Rinderknecht H. (1983) Protective effects of exogenous secretin on ceruletide-induced acute pancreatitis in the rat. J Clin Invest. 72: 1081-92.
  4. Jurkowska G, Grondin G Morisset J. (1992) Involvement of endogenous cholecystokinin in pancreatic regeneration after caerulein-induced acute pancreatitis. Pancreas 7: 295-304.
  5. Saito A, Sankaran H, Goldfine ID, Williams JA. (1980) Cholecystokinin receptors in the brain: charactrization and distribution. Science 208: 1150-1156.
  6. Sankaran H, Goldfine ID, Deveney C, Wong K, Williams JA. (1980). Binding of cholecystokinin to high affinity receptors on isolated rat pancreatic acini. J Biol Chem. 255: 1849-1853.
  7. Morisset J, Wong H, Walsh JH, Laine J, Bourassa J. (2000) Pancreatic CCKB receptors: their potential roles in somatostatin release and d-cell proliferation. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 279: G148-G156.
  8. Matozaki T, Sakamoto C, Nagao M, Nishizaki H Baba S. (1988) G protein in stimulation of PI hydrolysis by CCK in isolated rat pancreatic acinar cells. Am. J. Physiol. 255: E652-659.
  9. Tsunoda Y Owyang, C. (1993) Differential involvement of phospholipase A2 /arachidonic acid and phospholipase C/phosinositol pathways during cholecystokinin receptor activated Ca2+oscillations in pancreatic acini. Biochem. Biophys. Res. Com. 194: 1194-1202.
  10. Pommier B, Da Nascimento S, Dumont S, Bellier B, Million E, Garbay C, Roques BP Noble F. (1999) The cholecystokinin B receptor is coupled to two effector pathways through pertussis toxin-sensitive and –insensitive G proteins. J. Neurochem. 73: 281-288.
  11. Seufferlein T, Withers DJ, Broad S, Herget T, Walsh JH, Rozengurt E. (1995) The human CCKB/gastrin receptor transfected into rat1 fibroblasts mediates activation of MAP kinase, p74raf-1 kinase and mitogenesis. Cell Growth Differ. 6: 383-393.
  12. Lutz MP, Piiper A, Gaisano HY, Stryjek-Kaminska D, Zeuzem S Adler G. (1997) Protein tyrosine phosphorylation in pancreatic acini: differential effects of VIP and CCK. Am. J. Physiol. 273: G1226-1232.
  13. Jurkowska G, Grondin G, Masse S, Morisset J. (1992) Soybean trypsin inhibitor and cerulein accelerate recovery of cerulein-induced pancreatitis in rats. Gastroenterology 102: 550-62.

Aktuelle Fragestellungen

In der Vergangenheit wurden Zellkulturmodelle verwendet um die Mechanismen der Signalentstehung, der Signaltransduktion und des 'cross-talk' verschiedener Zelloberflächenrezeptoren, insbesondere der Familie der EGF-Rezeptoren aus der Klasse der Rezeptortyrosinkinasen, zu untersuchen (1). Hierbei wurde eine eine Reihe von Fragen aufgeklärt, die die Generierung von Signalen an der Zelloberfläche durch Interaktion spezifischer Liganden (z.B. Heregulin) mit homodimeren oder heterodimeren Rezeptoren betreffen. Die nachfolgende Signaltransduktion wird dann in entscheidender Weise von den carboxyterminalen Rezeptoranteilen bestimmt, die spezifische Bindungsstellen für ein charakteristisches Repertoire zytoplasmatischer Rezeptorsubstrate aufweisen. In der Familie der EGF-Rezeptoren zeigte sich, daß die Bildung heterodimerer Rezeptorpaare eine große Bedeutung für die Signalentstehung und -weiterleitung hat (2). Die Transaktivierung und Transphosphorylierung von Rezeptoren ließ sich dabei als essentieller Schritt einer mitogenen Signaltransduktion identifizieren, deren Rezeption wesentlich durch die variable Zusammensetzung der zellulären Rezeptormonomere in unterschiedliche Rezeptordimere gesteuert wird. Dies hat einen entscheidenden Einfluß auf die Rekrutierung zytoplasmatischer Signalmediatoren und dient vermutlich der Signalmodulation in einem Zelltyp/Gewebs-spezifischen Zusammenhang (3).

 

Das Phänomen der Transaktivierung findet sich jedoch nicht nur innerhalb einer bestimmten Rezeptorfamilie, sondern konnte von uns erstmalig zwischen Rezeptoren unterschiedlicher Rezeptorklassen nachgewiesen werden (4). Im Gegensatz zu den Rezeptortyrosinkinasen sind die Signalschritte, die bei den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren zur Aktivierung von Ras/MAP-kinase führen bisher nur unzureichend erklärt. Die Signalkaskade von der Zellmembran zum Zellkern beinhaltet jedoch die Assoziation der Adaptorproteine SHC und Grb2, welche die Aktivierung von Ras/MAP-Kinase steuern. In Fibroblasten konnte eine essentielle Funktion des EGF-Rezeptors in der mitogenen Signaltransduktion verschiedener G-Protein-gekoppelter Rezeptoren, wie z.B. des Endothelin-, Thrombin-, oder Bombesin-Rezeptors gezeigt werden (4). Die Blockade der Transaktivierung durch EGFR-spezifische Tyrphostine oder dominant negative EGFR-Mutanten führte zu einer signifikanten Reduktion der Assoziation der SHC- und Grb2-Adaptorproteine und damit der mitogenen Signaleigenschaften der G-Protein-gekoppelten Faktoren. Dieser 'cross-talk' zwischen den EGF-Rezeptoren aus der Klasse der Tyrosinkinasen und dem Bombesin-Rezeptor, einem engen Verwandten des CCK-Rezeptors aus der Klasse der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, legt die Vermutung nahe, daß es auch zwischen anderen Rezeptoren dieser beiden Klassen zu Interaktionen und einer gegenseitigen Beeinflußung der nachgeschalteten Signalwege kommen kann. Möglicherweise haben diese ‘cross-talk‘ – Mechanismen Bedeutung für so diverse pathophysiologische Ereignisse wie der Entzündung, der Regeneration oder der Proliferation (4) von so komlexen Organen wie dem Pankreas.

Literatur zu Aktuelle Fragestellungen

  1. Weiss FU, Daub H, Ullrich A. (1997) Novel mechanisms of RTK signal generation. Curr Opin Genet Dev 7: 80-86.
  2. Wallasch C, Weiss FU, Niederfellner G, Jallal B, Issing W, Ullrich A. (1995) Heregulin-dependent regulation of HER2/neu oncogenic signaling by heterodimerization with HER3. EMBO J 14: 4267-4275
  3. Weiss FU, Wallasch C, Campiglio M, Issing W, Ullrich A. (1997) Distinct characteristics of heregulin signals mediated by HER3 or HER4. J Cell Physiol 173: 187-195
  4. Daub H, Weiss FU, Wallasch C, Ullrich A. (1996) Role of transactivation of the EGF receptor in signalling by G protein-coupled receptors. Nature 379: 557-560

Autor:

 

Prof. Dr. med. Markus M. Lerch

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A

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