Struktur und Funktion von Zell-Zell Kontakten

Grundlagen

Zell-Zell Kontakte im Pankreas

Zell-Zell-Kontakte im exokrinen Pankreas, welches zu mehr als 90% aus epithelialen Azinuszellen und Gangzellen besteht, sind entscheidend an der Differenzierung und Funktion des Organs beteiligt. Die Bildung und Aufrechterhaltung von Zell-Kontakten bestimmt einerseits, ob und wie Pankreaszellen mit einander kommunizieren, und andererseits zu welchen anatomischen Strukturen sie sich organisieren und differenzieren. Wir konnten zeigen, daß eine supra-physiologische Stimulation des Pankreas mit Cholezystokinin- oder Acetylcholin-Analoga in vivo zu einer Dissoziation von Adherens Junctions im Pankreas führt (1), und daß diese Dissoziation mit einer schweren Störung der Exozytose (2,3), der Endozytose (4) und des polarisierten intrazellulären Transportes einher geht (5). Darüber hinaus fanden wir, daß die Auflösung von Adherens Junctions zwischen den Azinuszellen des Pankreas von einer Dissoziation des Cadherin/Catenin Komplexes begleitet wird, und die Bestandteile dieses Komplexes ins Cytosol der Azinuszelle internalisiert werden (1). Da dieser Prozeß innerhalb von 48 h in vivo vollständig reversibel ist, bietet sich das Modell der kontrollierten Dissoziation und Restitution von Adherens Junctions für zellbiologische Untersuchungen der Regulation von Zell-Zell-Kontakten im intakten Organ an.

 

Der überwiegende Teil der interzellulären Verbindungen zwischen Azinuszellen des Pankreas gehört zur Klasse der Adherens Junctions. An Adherens Junctions werden Zell-Kontakte in erster Linie durch homophile, Ca++-abhängige Interaktion des Transmembran-Glykoproteins E-Cadherin vermittelt (6). Der cytosolische Anteil von E-Cadherin bindet an Proteine der Catenin-Familie. b-Catenin und g-Catenin interagieren direkt mit E-Cadherin und vermitteln über die Bindung an a-Catenin. die Verankerung des Cadherin/Catenin Komplexes an den Mikrofilamenten des Aktin-Zytoskeletts (7). Das 1992 entdeckte p120-Catenin, ein Substrat der src-Tyrosin Kinase, bindet ebenfalls an den intrazellulären Teil von E-Cadherin, nicht aber an a-Catenin oder b-Catenin (8). Seine Funktion besteht offenbar in einer Stabilisierung der Zell Kontakte (9).

 

Die Tatsache, daß eine genetische Deletion von E-Cadherin bei entsprechenden ‘knock-out‘ Mäusen zur frühen Letalität in der Embryonalentwicklung führt (10,11), unterstreicht die Bedeutung des Cadherin/Catenin Komplexes für die Gewebedifferenzierung und Morphogenese (12). Auch bei der Differenzierung epithelialer Tumorzellen spielen Zell-Adhäsionsproteine eine bedeutende Rolle (13). Es wird angenommen, daß die Funktion von E-Cadherin und der Catenine darin besteht, daß sie die Ablösung maligner Zellen aus dem Tumorverband und damit die Gewebeinvasion und Fernmetastasierung des Tumors verhindern können. Eine Bedeutung für die maligne Tumorprogression beim Menschen wurde für Mechanismen berichtet, die die Funktion des Cadherin/Catenin Komplexes stören, wie z. B. somatische Mutationen, reduzierte Expression durch CpG-Methylierung oder Tyrosin-Phosphorylierung von b-Catenin (14,15,16,17).

 

Neben einer Rolle bei der Bildung von Zell-Zell Kontakten wurde für Proteine der Cadherin/Catenin Familie auch eine Funktion als intrazelluläre Signalüberträger berichtet.

 

Diese Funktion liegt im Bereich verschiedener intrazellulärer Signalkaskaden die am Zellwachstum beteiligt sind. Für b-Catenin wurde beispielsweise eine Beteiligung in der Wnt-Signalkaskade berichtet. Sezerniertes Wnt-Glykoprotein hemmt die Serin-Threonin Phosphorylierung von cytosolischem b-Catenin. Während das Produkt des APC-Tumor-Suppressor-Gens die Phosophorylierung und Degradation von b-Catenin vermittelt (18). Entweder als Antwort auf das Wnt-Signal, oder bei Abwesenheit von APC wird unphosphoryliertes b-Catenin in den Zellkern importiert und kann dort eine Reihe wachstumsinduzierender Transkriptionsfaktoren aktivieren (19,20). E-Cadherin reguliert indirekt die proliferative Funktion von b-Catenin. Es kontrolliert durch die Bindung von b-Catenin an Zell Kontakten die freie Menge von b-Catenin im Zytosol, die für die Signalübertragung zur Verfügung steht (21). Auch für andere Zell Adhäsionproteine, wie zum Beispiel p120-Catenin, wurde ein Kernimport beschrieben. Als Signalsequenz für eine nukleäre Translokation dient ein hochkonservierter Bereich zwischen der Armadillo Repeat 6 und 7 Domäne.

 

Die Phosphorylierung an Tyrosinresten hat für die Regulation des Cadherin/Catenin Komplexes große Bedeutung. Die Aktivierung verschiedener Tyrosinkinasen wie zum Beispiel die des EGF-Rezeptors, oder eine Überexpression von v-src resultieren nicht nur in einer Tyrosin-Phosphorylierung von b- und g-Catenin, sondern auch in einer Dissoziation von Zell-Zell-Kontakten in unterschiedlichen in vitro Systemen (14,22). Andererseits führt auch die Hemmung von Protein-Tyrosin-Phosphatasen zur Dissoziation von Zell-Zell-Kontakten in epithelialen MDCK-Zellen (23). Die meisten Studien legen nahe, daß die Aufrechterhaltung von intakten Adherens Junctions die Aktivität von Protein-Tyrosin-Phosphatasen voraussetzt, um den Cadherin/Catenin Komplex in seinem aktiven, unphosphorylierten Zustand zu halten. Für eine Reihe von Protein-Tyrosin-Phosphatasen wurde bereits gezeigt, daß sie in Zellkultur- und Überexpressionssystemen entweder an Zell-Kontakten lokalisiert sind (24,25), mit dem Cadherin/Catenin Komplex assoziieren können (26,27), oder sogar die Proteine des Cadherin/Catenin Komplexes als Substrat dephosphorylieren (26,28,29,30). Welche Relevanz diese in vitro Beobachtungen für die Verhältnisse in einem komplexen, epithelialen Organ wie dem exokrinen Pankreas haben, ist weitgehend unbekannt. Ziel unserer laufenden Untersuchungen ist deshalb die Charakterisierung der Funktion spezifischer Protein-Tyrosin-Phosphatasen bei der Bildung von Zell-Zell-Kontakten des Pankreas in vivo oder in Differenzierungsmodellen des Pankreas in vitro.

 

 

Literaturangaben

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  4. Lerch, M.M., A.K. Saluja, M. Rünzi, R. Dawra and M.L. Steer (1995). Luminal endocytosis and intracellular targeting by acinar cells during early biliary pancreatitis in the opossum. J. Clin. Invest. 95,2222-2231.
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Autor:

 

Prof. Dr. med. Markus M. Lerch

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A

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