Historie - Entwicklung des Lehrstuhles Anästhesiologie und Intensivmedizin

Das Fachgebiet Anästhesie hat in Greifswald eine lange Tradition unter anderem durch die Tätigkeiten von Carl Ludwig Schleich, der Wesentliches auf dem Gebiet der Lokalanästhesie leistete und als Assistent von 1888 –1889 in Greifswald wirkte und August Bier, der in seiner Zeit in Greifswald von 1899-1903 als Erbauer der Chirurgischen Klinik gilt.

 

Wenn in anderen deutschen medizinischen Lehrstätten sich das Fachgebiet Anästhesie ab den frühen fünfziger Jahren zur Eigenständigkeit entwickelte, dauerte es in Greifswald bis zum 01.10.1971, bis die Zentrale Anästhesieabteilung am damaligen Bereich Medizin gegründet wurde und die Anästhesisten in ihren klinisch-anästhesiologischen Aufgaben aus der Verwaltungs- und Organisationsstruktur der Chirurgischen Klinik herausgelöst wurden.

 

Die fachmedizinischen Versorgungs-, Lehr- und Ausbildungsaufgaben wurden in dieser Zeit der sechziger Jahre besonders durch die anästhesiologisch orientierten Mitarbeiter und Oberärzte der chirurgischen Klinik wahrgenommen. Bis 1962 war Dr. med. Manfred Schädlich als Chirurgischer Oberarzt für die Anästhesie der Patienten zuständig. Bis 1963 unterstand die Anästhesie den Herren Brandt, Erler und Fuchs (Militärmedizin). Von 1963 bis 1965 führte die Anästhesie Herr OA Dr. med. Klimpel, der dann nach Frankfurt/Oder ging. Aus dieser Zeit ist belegt, dass z. B. 1963 mit 8 Anästhesisten, 4 Schwestern und einem Hilfspfleger 892 Endotrachealnarkosen, 1088 Allgemeinnarkosen, 276 Lokalanästhesien, 10 Hypothermien, 138 Arteriographien, 7 Bronchographien und 8 Elektrokoagulationen durchgeführt wurden. Es wurden 15 Publikationen erarbeitet und 5 Doktoranden betreut.

 

1965-1968 wurde die Gruppe der Anästhesisten von OA Dr. med. Erwin Kasper geführt. 1968 wurde Dr. med. Miroslav Hrdlica (CSSR) sein Nachfolger, der erstmalig fakultative Vorlesungen für Studenten im Fach Anästhesie anbot, bis er 1970 nach einem Apoplex seine Gastrolle beendete und in seine Heimat zurückkehrte. Wiederum war für das Fachgebiet der dienstältere Oberarzt Kasper bis zum August 1971 zuständig, wobei ihn Dr. med. Christian Rieger (ab 1974 Chefarzt in Frankfurt/Oder) und Dr. sc. med. Gisela Cierpka in ihrer Funktion als Oberärzte unterstützten.

 

Mit Gründung der Zentralen Anästhesieabteilung (ZAA) zum 01.10.1971 wurde Dozent Dr. med. Henning Ritzow aus dem damaligen Zentralklinikum Berlin-Buch (Leiter: Prof. Lothar Barth) zum Leiter der Abteilung berufen mit der Option, zum gegebenen Zeitpunkt den noch zu schaffenden Lehrstuhl für das Fachgebiet zu übernehmen. In dieser Zeit wurden von ca. 12-14 Mitarbeitern nur in den Fachgebieten Chirurgie, Orthopädie, Frauenheilkunde, Augenheilkunde und HNO von Anästhesisten Narkosen durchgeführt. In den anderen medizinischen Einrichtungen wurde die Narkose von OP-Schwestern durchgeführt.

 

Die Abteilungsgründung bildete eine wesentliche Voraussetzung für die spezialisierte und hochspezialisierte operative Betreuung der Patienten nach neuen Erkenntnissen der Anästhesiologie. Hirnoperationen unter kontrollierter Hypothermie waren dafür ein Beispiel. Die Einführung moderner Anästhesieverfahren zum damaligen Zeitpunkt (Neuroleptanästhesie, poliklinische Ultrakurzanästhesien) durch die Abteilung hatten sich seinerzeit in Greifswald positiv für die postoperative Phase bei wachsenden Patientenzahlen ausgewirkt. Im Vergleich zu anderen Abteilungen großzügig bewilligte Investitionen haben dazu beigetragen, die Möglichkeiten für die Dauerbeatmung bei Erwachsenen und Kindern zu erweitern und sich an dem internationalen Stand zu orientieren. Durch die Gründung dieser Abteilung, die in ihrem Kern aus einem Arbeitsbereich der Chirurgischen Klinik hervorgegangen ist, wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, Spezialarbeitsgruppen wie für die Kinder- und Neuroanästhesie auszubauen.

 

1975 verließ Ritzow Greifswald und nach zweijähriger Interimsführung der Abteilung wiederum durch Kasper kam es erst 1977 zur Gründung des Lehrstuhles für Anästhesie und der erste Ordinarius für das Fachgebiet war Prof. Dr. sc. med. Klaus Borchert (fachliche Ausbildung an der Universität Rostock unter Professor Benad) der die Klinik von 1977 bis 1991 leitete.

 

1977 – 1991 Direktorat Prof. Dr. med. habil K. Borchert

In dieser Zeit nahm das Fachgebiet unter diesem neuen Status einen deutlichen Aufschwung. Die anfänglich etwa 15 ärztlichen Mitarbeiter reichten nicht aus, das Leistungsvermögen aller operativen Fächer sicherzustellen und die Engpässe bei der anästhesiologischen Kapazität limitierten die Leistungsfähigkeit der operativen Kliniken. In den folgenden 10 Jahren entwickelte sich die Klinik personell und es wurden 1987 mit einem Mitarbeiterstand von 51 (davon 21 Ärzte) zwischen 10.000 und 11.000 Narkosen jährlich dem um 30% gestiegenen Anästhesiebedarf Rechnung getragen.

 

Zum 1.1.1981 erhielt die ZAA vom damaligen Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen den Status einer Klinik zugesprochen: „Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.

 

Am 10.01.1983 wurde mit 4 Betten die erste Ausbaustufe einer interdisziplinären Intensivtherapiestation in Betrieb genommen (seinerzeit aus dem Bettenkontingent der chirurgischen Wachstation), die Anfang 1987 auf 6 Betten erweitert wurde.

 

Mit der geforderten Verbesserung der Bedingungen für die prästationäre Notfallversorgung Anfang der 1980er Jahre wurde von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin die Schnelle - später Dringliche - Medizinische Hilfe für das umgebende Territorium koordiniert und angeleitet. Das Einsatzpersonal bestand anfänglich aus einem Arzt (Anästhesist) und einer Op-Schwester bzw. Anästhesieschwester. Der Einsatzbereich umfasste mit dem zunehmenden Ausbau von DRK-Stützpunkten (den heutigen Rettungswachen entsprechend) einen Umkreis von nicht mehr als 20 km, was seinerzeit zu einer deutlichen Verkürzung der Hilfsfrist führte.

 

Das wissenschaftliche Profil in dieser Zeit war auf Fragestellungen ausgerichtet, die sich aus den hochspezialisierten Betreuungsaufgaben besonders bei neurochirurgischen Patienten für dieses Fachgebiet ergaben.

 

Die Behandlung von chronischen Schmerzpatienten steckte noch in den Anfängen, konzeptionelle Überlegungen für eine Schmerzambulanz bestanden bereits seit längerem.

 

Seit 1992 – Direktorat Prof. Dr. med. habil. M. Wendt

Nach dem Ausscheiden von Prof. Borchert aus dem Kliniksbetrieb zur Zeit der Wiedervereinigung übernahm Frau Dozent Cierpka übergangsweise die Leitung der Klinik. Am 15.09.1992 übernahm Prof. Dr. med. Michael Wendt aus Münster zunächst kommissarisch die Leitung der Klinik und wurde am 01.04.1993 zum ordentlichen Universitätsprofessor und Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald berufen.