Seite 12 - UKG live - Mitarbeiterzeitung 3 | 2012

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UMG
live
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|2012
namen
Kein einziger
langweiliger
Tag ...
»
Wer nach Greifswald
kommt, weint zweimal:
Einmal, wenn er kommt
und zum zweiten Mal,
wenn er geht. «
Wie oft haben wir bei offiziellen Anlässen
diesen Spruch gehört, ohne über den Sinn
nachzudenken. Wahrscheinlich soll er sa-
gen, dass das Besondere an dieser Stadt
nur derjenige wirklich versteht, wer lange
oder länger hier lebt. Und dass die Erfah-
rung und das Verstehen dieser Besonder-
heit dazu führen, dass man nie wieder
weg möchte.
Geweint haben wir nicht, meine Frau Su-
sanne und ich, als wir am 7. September
1998
mit unseren drei noch kleinen Söh-
nen aus Stuttgart nach Greifswald kamen.
Angespannt und aufgeregt waren wir
schon. Zumindest im Bereich der Medizin
war die Besonderheit von Klinik und Fa-
kultät nur mit viel Phantasie zu erahnen.
Die meisten Instituts- und Klinikgebäude
waren in einem eher beklagenswerten Zu-
stand, häufig ohne Leitung und – was aus
meiner Sicht am schlimmsten war – ohne
konkrete Aussicht auf Besserung. Es gab in
dieser Zeit Diskussionen, ob Greifswald ei-
nen eigenen Klinikchef für die Kardiologie
und in dieser Klinik einen Herzkatheter-
messplatz bräuchte. Alles Dinge, die heute
nicht mehr vorstellbar sind.
Aus einer ganz modernen Einrichtung,
dem Stuttgarter Robert Bosch Kranken-
haus kommend, lag nahe, sich über diese
Zustände zu erheben. Ich habe lange ge-
braucht, um zu verstehen, dass die eigent-
liche Leistung im Erhalt der Greifswalder
Medizin in der vorigen Professorengene-
ration lag. Wie es die Gruppe um die Pro-
fessoren Hensel, Festge, Lorenz und den
viel zu früh verstorbenen Dekan Werner
nach der Wende geschafft hat, den neu-
en bundesrepublikanischen Gremien die
Weiterführung der Medizin in Greifswald
abzuringen, ist auch viele Jahre später
ein kleines Wunder und verdient unseren
größten Respekt. Dazu kam als großes
Glück die überlebenswichtige Führung
und Hilfe durch Prof. Berthold Beitz aus Es-
sen und viele wohlmeinende Professoren
aus den alten Ländern, wie zum Beispiel
unseren Ehrendoktor Prof. Dietrich Niet-
hammer aus Tübingen.
Die anfängliche Aufgeregtheit verflog
schnell, insbesondere, weil ich im Pharma-
kologischen Institut von Prof. Werner Sieg-
mund und seinen Kollegen sehr freund-
lich aufgenommen wurde. Bis heute sind
die beiden Abteilungen auf das Engste
miteinander abgestimmt und wir haben
dieser engen Zusammenarbeit in unse-
rem C_DAT Neubau ein Gesicht gegeben.
Ebenfalls trugen die Kollegen und Mitar-
beiter in der Pharmakologie erheblich zu
meinem beruflichen Wohlfühlen bei.
Seit 1998 ist viel passiert. Im Oktober 2000
wurde ich als Nachfolger von Prof. Reiner
Biffar zum Dekan der Medizinischen Fa-
kultät gewählt, ein Amt, das ich seitdem
mit einer halbjährigen Unterbrechung
innehatte und das ich zum 1. September
2012
wieder an Reiner Biffar übergeben
habe. Die Greifswalder Medizin hat in den
letzten zwölf Jahren eine Privatisierungs-
debatte überlebt, zweimal die Rechtsform
weiter entwickelt und ein neues Klinikum
mit einer Forschungsinfrastruktur gebaut.
Wie in der Wissenschaft üblich, sollen an-
dere diese Vorgänge werten und beurtei-
len. Ich kann aus meiner Sicht jedenfalls
sagen, dass ich in Greifswald keinen einzi-
gen langweiligen Tag erlebt habe. Manch-
mal war es eher zu viel an Abwechslung
und Problemen, die in der kleinsten deut-
schen Hochschulmedizin zu lösen waren.
Möglich wurde die Lösung durch enge
Zusammenarbeit zwischen Kollegen. Und
nicht zuletzt durch die kleine Stadt, in
der man sich dauernd sieht. Der äußere
berufliche Druck hat dazu geführt, dass
viele persönliche Freundschaften entstan-
den sind, die ich niemals missen möchte.
Die Anfangsjahre im Dekanat verliefen in
engster Kooperation mit dem Ärztlichen
Direktor Andreas Greinacher, mit dem
mich ein enges Vertrauensverhältnis ver-
bindet. Der Vorstand war im Vergleich zu
anderen Universitätsmedizinen personell
sehr konstant. Fast die gesamte Zeit habe
ich dort mit Gunter Gotal und Peter Hingst
zusammen gearbeitet. Die Basis für die
Entwicklung in Greifswald ist diese Koope-
ration vieler Kollegen, die ihre persönli-
chen Belange hintenangestellt und sich
in den Dienst der gemeinsamen Sache
gestellt haben. Dazu kam eine kontinuier-
liche, weit über das normale Maß hinaus-
gehende Begleitung durch die Landespo-
litik. Die Medizin in Greifswald hatte durch
die ganzen Jahre ebenso unsichtbare, wie
unersetzbare Förderer in Schwerin, denen
wir zu allergrößtemDank verpflichtet sind.
Am 1. September dieses Jahres habe ich
als Wissenschaftlicher Vorstand an die
Universitätsmedizin Göttingen gewech-
selt. Geweint habe ich zwar nicht, aber der
Abschied aus Greifswald fiel mir wesent-
lich schwerer, als es bei früheren berufli-
chen Wechseln der Fall war. Dies mag mit
dem Älterwerden zu tun haben, aber si-
cher auch mit den vielen Erlebnissen hier,
die einen weiten Bogen überspannen: Da
war in den Anfangsjahren ein konspirati-
ves, nächtliches Meeting in einem kleinen
Prof. Heyo K. Kroemer
...
Danke für
14
Jahre in
Greifswald