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UMG
live
4
|2012
frohe Weihnachten
Das Treppenhaus ist da vorn um die Ecke! Sehen Sie die Tür
mit den zersplitterten Glasscheiben? Gehen Sie einfach da durch
und dann nach rechts!“ weist die Studentin den Weg.
Im Treppenhaus fühlt sich der Weihnachtsmann unweigerlich
an den Charme eines Entlüftungsschachts der Berliner U-Bahn er-
innert. Zögernd steigt er Stufe um Stufe empor, bis ihm langsam
der Duft von Gänsebraten in die Nase steigt: Er muss also doch
auf dem richtigen Weg sein! Oben angekommen, mischt sich un-
ter den köstlichen Bratenduft das besinnliche Surren einer Weih-
nachtslieder-CD.
Was für ein Ausblick!’ staunt der Weihnachtsmann und ge-
nießt den Rundumblick durch die verglaste Außenfassade. Da-
nach spult er sein Standardprogramm ab: Ein Weihnachtsgedicht,
das Goldene Buch, Geschenke verteilen und ein gemeinsames
Weihnachtslied. Heute soll es schnell gehen, denn er hat großen
Hunger. Und endlich wird das Buffet eröffnet. Als Ehrengast darf
er natürlich zuallererst seinen Teller befüllen.
Das Essen in der neuen Mensa: Ein Genuss!“ ist er vollen Lo-
bes über die Kochkünste und freut sich schon sichtlich auf sei-
nen Nachtisch. Als sich der Weihnachtsmann jedoch von seinem
Stuhl erhebt, um zum Nachtischbuffet zu gehen, passiert es: Der
Knopf, der den Mantel über seinem Bauch zusammenhalten soll,
hält der Belastung des bauchbedingten Mantelinnendrucks nicht
mehr stand. Einem Peitschenknall gleich schallt das Reißen der
Knopfnaht durch den Essenraum. Danach schießt der abgerisse-
ne Knopf wie eine Silvesterrakete pfeifend über die Köpfe des Kli-
nikumsvorstands hinweg ungebremst in Richtung Glasfassade...
Kurz nachdemder Knopf die erste Glasscheibe durchschlagen hat,
splitternwiebeimDominoeffektderReihenachalleFensterscheiben
der Mensa in kleine Bruchstücke und rieseln als winterlicher Silber-
regen auf den Boden herab.
So, das war’s!’ denkt sich der Weihnachtsmann. Aber anstatt
den Alten auszuschimpfen, machen sich die anwesenden Klini-
kumsmitarbeiter pflichtbewusst Sorgen um seine Gesundheit.
Wo gibt es denn denWeihnachtsbraten?“ fragt er ungeduldig
in die Runde, während ihm das Wasser im Mund zusammenläuft.
Wenn Sie Gänsebraten wollen, dann müssen Sie rübergeh’n!
Hier bei uns gibt es nur Käsestullen und Schwarzwurzelkompott“,
rät ein Gast dem schmachtenden Weißbart.
Ach so, gibt es hier denn zwei verschiedene Weihnachts-
feiern?“
So ist es! Hier findet die Feier für gewöhnliche Mitarbeiter
statt. Da drüben feiern alle Mitarbeiter, die in die Gewerkschaft
men.sa eingetreten sind. Die haben einen gesetzlichen Anspruch
auf ein reichhaltigeres Weihnachtsbuffet!“
Na ja, manche sind halt gleicher als die anderen!“ raunt der
Weihnachtsmann in seinen Bart, dreht sich auf der Stelle um und
folgt dem Bratenduft zur anderen Essenausgabe.
Beim Anblick der großzügig bestückten Auslagen denkt sich
der Alte: ‚Hier bin ich richtig! Den Salat spar ich mir heute, den
muss ich sonst extra abwiegen lassen!’ und nimmt stattdessen
noch ein weiteres Stück Gänsebrust.
Wir müssen etwas gegen Ihr Übergewicht unternehmen – so
geht es nicht weiter!“
Aber, was ist mit den Fenstergläsern?“ stammelt der Weih-
nachtsmann verwundert.
Die Glasfassade? Eine Lappalie! Darum kümmern wir uns“,
wird er vom Klinikumsvorstand beschwichtigt.
Nur wenige Augenblicke später ist der Weihnachtsmann von
einer wissenschaftlichen Expertenrunde umzingelt, die um die
beste Methode zur Gewichtsreduktion wetteifert. Den Anfang
machen lautstark die Chirurgen: „Liposuktion!“
Bitte, was?“
Keine Angst! Während Sie friedlich auf demOP-Tisch schlum-
mern, saugen wir den lästigen Winterspeck einfach ab.“