Home  Patienteninfo

Universitätsmedizin Greifswald Universität Greifswald


Zur Startseite

Suche
   Klinik      Patienteninfo      Forschung/Lehre      Niedergelassene      Veranstaltungen      Kontakt      Lageplan   
Presse/Fernsehen

Unser YouTube-Kanal

Links





Epilepsiechirurgie

Krankheitsbild Epilepsie

Die Epilepsie ist eine Erkrankung, die durch spontane abnorme Entladungen von Nervenzellen charakterisiert ist. Man schätzt, dass ca. 400.000 bis 800.000 Patienten in Deutschland an einer Epilepsie leiden. Etwa 30.000 Neuerkrankungen treten jedes Jahr auf. Häufig ist die Epilepsie genetisch bedingt (idiopathische Epilepsie). Andere Hirnerkrankungen, wie z. B. Hirntumoren, Entzündungen, Hirnverletzungen etc., können jedoch auch Ursache einer Epilepsie sein. Bei 70 % der Patienten lässt sich die Epilepsie durch Medikamente so behandeln, dass keine Anfälle mehr auftreten. Es gibt jedoch auch sog. pharmakoresistente Epilepsien, bei denen durch Medikamente keine Anfallsfreiheit erreicht werden kann. Diese Patienten sind potentielle Kandidaten für eine epilepsie-chirurgische Operation. Ob diese Patienten tatsächlich für eine Operation in Frage kommen, wird durch spezielle Untersuchungen im Epilepsie-Zentrum geklärt. Voraussetzung für eine Operationsindikation ist neben der Pharmakoresistenz der Epilepsie, die Identifizierung der Anfallsursprungszone (Focus), die nur dann operativ entfernt wird, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine postoperative Anfallsfreiheit ohne zusätzliche neurologische und psychische Defizite vorausgesagt werden kann. Ursache für eine Epilepsie mit fokalem Anfallsursprung sind häufig eine Ammonshornsklerose (Veränderung im Hippocampus), Fehlbildungen (Dysplasien) oder auch Tumoren (Abb. 1). Besonders epileptogen sind Prozesse im inneren Schläfenlappen (temporomesiale Strukturen wie Hippocampus und Amygdala).

Symptome

Bei den operativ behandelbaren Epilepsien können einfach fokale Anfälle und komplex fokale Anfälle auftreten. Weiterhin ist es möglich, dass beide Anfallsformen in einen generalisiert tonisch-klonischen Anfall (generalisierter Krampfanfall) übergehen.

Bei einem einfach fokalen Anfall bleibt das Bewusstsein stets erhalten, d. h. der Patient bemerkt z. B. die Muskelzuckungen im Bereich einer Hand oder eines Armes, die 1 - 2 Minuten andauern können.

Ein komplex fokaler Anfall geht immer mit einer Bewusstseinsstörung einher, d. h. der Patient reagiert nicht auf Ansprache, hat einen starren, leeren Blick. Es kann zum Schmatzen und zu unverständlichen Lautentäußerungen sowie zu Fehlhandlungen kommen. Die Dauer dieser Anfälle beträgt durchschnittlich eine Minute, danach können längere Reorientierungsphasen auftreten.

Bei einem fokal eingeleiteten generalisierten Krampfanfall kommt es meist ausgehend von einem einfach oder komplex fokalen Anfall zu einer plötzlichen Bewusstlosigkeit mit einer etwa 30 Sekunden andauernden Versteifung der Arme und Beine, gefolgt von 30 ? 40 Sekunden dauernden Zuckungen aller Extremitäten. Es kann zum Zungenbiss und Einnässen kommen. Danach folgt eine Reorientierungsphase mit anschließendem Schlafbedürfnis.

 

Diagnostik

Im Rahmen der prächirurgischen Epilepsiediagnostik werden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt, um den Anfallsursprung der Epilepsie zu bestimmen. Dazu gehören das Video-EEG-Monitoring mit Oberflächen- und Sphenoidalelektroden, die Kernspintomographie, eine Durchblutungsmessung im und nach einem Anfall (SPECT iktal und interiktal), neuropsychologische Untersuchungen und der Wada-Test. Wenn der Ursprungsort der Epilepsie dadurch nicht sicher nicht bestimmt werden kann, werden Streifen- oder Plattenelektroden unter die Hirnhaut geschoben, um direkt vom Hirn die Hirnpotentiale ableiten zu können.

 

Abb 1.

A: Ammonshornsklerose (Pfeil). B: Dysplasie des Hippocampus (Pfeile). C: temporomesialer Hirntumor (Dysembryoplastischer neuroektodermaler Tumor, DNT) (Pfeile).

 

Behandlung

In Abhängigkeit von der Ursache der Epilepsie, lässt sich durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff in etwa 60 bis 80% der Fälle eine Anfallsfreiheit oder eine 90%ige Anfallsreduktion erreichen. Immer wenn eine umschriebene Anfallsursprungszone lokalisiert werden kann und dieser nicht in funktionell wichtigen Hirnarealen liegt, ist eine Operation möglich. Die Operationen werden meist mit computer-gestützter Neuronavigation durchgeführt, um den operativen Zugang und das Resektionsausmaß genau planen zu können. Während der Operation wird die Resektion des erkrankten Gewebes mit Hilfe der Navigation kontrolliert. Nachdem das erkrankte Hirngewebe entfernt worden ist, werden von den Rändern der angrenzenden Hirnrinde die Potentiale (Elektrocortikographie) abgeleitet, um eventuell verbliebenes epileptogenes Gewebe zu erkennen und dann zu resezieren. Da häufig die inneren Schläfenlappenareale Ursprung der Epilepsie sind, werden der Mandelkern und der Hippocampus mit oder ohne die angrenzenden Schläfenlappenanteile entfernt (Amygdalohippocampektomie oder Corticoamygdalohippocampektomie). Ist ein Tumor Ursache der Epilepsie, wird initial meist nur der Tumor entfernt. Zeigt die Elektrocortikographie nach Tumorentfernung noch Anfallsaktivität, wird auch das angrenzende tumorfreie Hirngewebe, wenn es keine wichtigen Funktionen trägt, entfernt, um eine Anfallsfreiheit zu erreichen.

 

Bei einigen Patienten beginnen die Anfälle an verschiedenen Orten, so dass die Anfallsursprungszone nicht entfernt werden kann. Bei diesen Patienten kann die Implantation eines Vagusstimulators vorgenommen werden. Dabei wird eine Elektrode um den linken Nervus vagus gewickelt und dieser dann über einen Impulsgeber stimuliert (Abb. 5). Durch diese Technik lässt sich bei ca. 40 % der Patienten die Anfallshäufigkeit dauerhaft um 50 % senken und 1 ? 2 % werden anfallsfrei.

 

1. Fallbeispiel mit Video

Die 25jährige Studentin erlitt erstmals einen generalisierten Krampfanfall. Im MRT zeigte sich ein kleines eingeblutetes Kavernom in der Postzentralregion rechts. Der neurologische Befund war unauffällig. Die Hirnstromuntersuchung (EEG) bestätigte das Kavernom als Ursache des Krampfanfalles. Über eine kleine, ca. 4 cm große Kraniotomie wurde das Kavernom unter neuronavigatorischer Führung mikrochirurgisch vollständig entfernt. Dabei wurde über eine Hirnfurche zugegangen, so dass nur sehr wenig normales Hirn durchtrennt werden musste, um das Kavernom zu erreichen (siehe Video). Die intraoperative Ableitung der Hirnströme nach der Kavernomentfernung zeigte keine Anfallspotentiale. Postoperativ ist die Patientin ohne Medikamente anfallsfrei. Es bestehen keine neurologischen Störungen.

 

Abb 2.

A: Die MRT-Aufnahmen zeigen ein Kavernom mit Einblutung in der Postzentralregion der rechten Hirnhälfte. B: Zugangsplanung mit der Neuronavigation. C: Das Video zeigt die Tumorentfernung über einen Hirnfurchenzugang. D: Ableitung der Hirnströme von der Hirnrinde. E: Elektroden am Rand der Resektionshöhle. F: Die postoperativen T1-gewichteten MRT-Aufnahmen mit Kontrastmittel zeigen die komplette Tumorentfernung. Die Patientin ist 1 Jahr nach der Operation beschwerdefrei. Anfälle sind nach der Operation nicht mehr aufgetreten (ohne Medikamenteneinnahme).

 

2. Fallbeispiel

Die 36jährige Patientin litt seit ihrem 14. Lebensjahr unter komplex fokalen Anfällen, die häufig in generalisierte Krampfanfälle übergingen. Zuletzt traten trotz ausgeschöpfter medikamentöser Therapie ca. 30 Anfälle pro Monat auf. Im MRT zeigten sich die typischen Zeichen einer Ammonshornsklerose mit Atrophie (Verkleinerung) des Hippocampus und erweitertem Temporalhorn. Die Ammonhornsklerose ist eine häufige Ursache für therapieresistente Anfälle. Die präoperative Epilepsiediagnostik bestätigte das Vorliegen eines Anfallursprungs in diesem Bereich. Der Mandelkern und Hippocampus wurde über eine kleine Schädeleröffnung mikrochirurgisch entfernt (Amygdalohippocampektomie). Dabei wurde über eine Hirnfurche zugegangen, so dass kein normales Hirngewebe entfernt werden musste, um zum Hippocampus zu gelangen. Die intraoperative Ableitung der Hirnströme nach der Hippocampusentfernung zeigte keine Anfallspotentiale. Postoperativ ist die Patientin anfallsfrei. Die Medikamente wurden zur Sicherheit belassen. Es bestehen keine neurologischen oder psychischen Störungen.

 

Abb 3.

A: Die MRT-Aufnahmen zeigen eine deutliche Atrophie des linksseitigen Hippocampus (lange Pfeile). Das Temporalhorn des linken Seitenventrikel ist erweitert (kurzer Pfeil). B: Intraoperative Elektrokortikographie. C: Die postoperativen MRT-Aufnahmen zeigen die selektive komplette Entfernung der Hippocampusformation.

 

 

3. Fallbeispiel

Die Patientin erlitt im 21. Lebensjahr erstmals einen generalisierten Krampfanfall. Außerdem bemerkte sie seit mindestens 2 Jahren mehrmals monatlich Zustände mit einem komischen Gefühl in der Magengegend (Aura = einfach fokaler Anfall), die häufig in einen etwa eine Minute dauernden Abwesenheitszustand übergingen. Die Mutter der Patientin berichtet, dass die Patientin dabei geschmatzt habe und einen leeren Blick hatte (komplex fokaler Anfall). Das MRT zeigte einen kleinen Tumor im inneren Anteil des rechten Schläfenlappens. Die Video-EEG-Diagnostik bestätigte, dass die Tumorregion Ursache der Epilepsie ist.

 

Der Tumor wurde über eine kleine Schädeleröffnung mikrochirurgisch vollständig entfernt. Dabei wurde über eine Hirnfurche zugegangen, so dass kein normales Hirngewebe entfernt werden musste, um zum Tumor zu gelangen. Der Tumor ließ sich sehr gut vom normalen Hirngewebe abgrenzen. Die intraoperative Ableitung nach Tumorentfernung war ohne Hinweise auf eine Anfallsbereitschaft. Die feingewebliche Untersuchung zeigte, dass es sich um einen gutartigen Tumor handelt (Dysembryoplastischer neuroektodermaler Tumor). Postoperativ ist die Patientin seit 2 Jahren anfallsfrei. Es bestehen keine neurologischen oder psychischen Störungen. Zur Sicherheit wurde die antiepileptische Monotherapie mit Lamotrigin weitergeführt.

 

Abb 4.

A: Die MRT-Aufnahmen zeigen einen Tumor im Bereich der rechten Hippocampusformation. (temporomesialer Tumor) (Pfeile). B: Die postoperativen MRT-Aufnahmen 2 Jahre nach der Operation zeigen die komplette Tumorentfernung (Pfeile).

 

 

4. Vagusstimulator

Abb 5.

A: Elektrode am N. vagus (Pfeile) B; Impulsgeber (Pfeil)

 

 

 

Rückfragen an Prof. Dr. med. Henry W. S. Schroeder,

Tel.: 03834-86-6162, Fax: 03834-86-6164, E-Mail: Henry.Schroeder@uni-greifswald.de



Aktuelles

Blickpunkt

zur StartseiteImpressum