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UMG
live
4|2013
frohes fest!
Da entbrennen seine Augen.
„Vater – ich will auch gar nichts anderes haben, wenn ich nur das
Buch von Robinson kriege!“
Solch ein Verlangen stillen: das nenn ich eine Weihnachtsfreude!
Es ist merkwürdig, dass sie die finanzielle Seite der Frage erwä-
gen, obgleich sie doch an den Knecht Ruprecht glauben. Aber
man betet ja auch vertrauensvoll zum heiligen Florian und versi-
chert sich dann gegen Feuerschaden.
Und merkwürdig ist es auch, dass sie sich gar nichts „Praktisches“
und „Nützliches“ wünschen, wie wollene Unterjacken und der-
gleichen. Mein Nachbar, ein gewisser Herr Schraffelhuber, hat
einen Jungen von acht und einen von sechs Jahren. „Ich schenke
meinen Jungen grundsätzlich nur nützliche Sachen zu Weihnach-
ten“, sagte er zu mir, „wie Stiefel, Strümpfe, Mützen, Schulränzel
und dergleichen. All der andere Tand und Spielkram verleitet sie
nur zur Torheit, Faulheit und Unaufmerksamkeit und bringt sie
dahin, den Wert des Geldes gering zu achten. Die Großmutter
schenkt ihnen ein Stück Spielzeug, und das genügt. In ein paar
Tagen ist es doch wieder kaputt.“
„Herr Schraffelhuber“, sagte ich darauf, „Wissen Sie, was ich Ih-
nen gönne, Herr Schraffelhuber? Ich gönne Ihnen, wenn Sie mal
in den Himmel kommen, dass der Herrgott Ihnen einen großen
und dauerhaften Regenschirm schenkt und sagt: „Hier, mein lie-
ber Schraffelhuber, hast du einen großen und dauerhaften Re-
genschirm als Krone des Lebens. Dein Platz ist nämlich draußen
in meiner dicksten Regenwolke. Da wirst du diesen praktischen,
nützlichen und zweckmäßigen Regenschirm zu schätzen wissen.
Ich wünsch dir eine nutzbringende ewige Seligkeit, mein lieber
Schraffelhuber!“ (sagte ich!) „Das gönne ich Ihnen.“
Seitdem hasst er mich; aber wenn solche Leute mich hassen, das
wärmt mich so recht innerlich, als wär′s der herrlichste Weih-
nachtspunsch!
An solchen Festen soll ja der Beschenkte kosten „von dem gold-
nen Überfluss der Welt“, und man soll ihm spenden, was ihm un-
ter gewöhnlichen Umständen nicht erreichbar wäre! Wenn der
arme Teufel barfuss läuft, so schenkt ihm Stiefel und Strümpfe;
wenn er aber des Leibes Notdurft hat, so schenkt ihm eine Trüf-
felwurst oder Henry Clays oder eine Radierung von Klinger oder
– warum nicht, wenn er sich′s wünscht?! – eine kleine Drehorgel,
gerade weil es Verschwendung ist, weil es Luxus ist, weil es ein
Spiel ist! Ach mein Gott, wir haben ja alle das Spiel so nötig! Dazu
sind uns ja Tage des Festes gegeben, dass wir einmal herauskom-
men aus der verdammten Trivialität der Regelmäßigkeit! Darum
verzehrt man ja amWeihnachtsfeste so viele Hasen, Gänse, Enten,
Karpfen, Kuchen, Äpfel, Nüsse, Mandeln, Rosinen, Datteln, Feigen,
Mandarinen und Apfelsinen mit den zugehörigen Getränken, weil
selbst die geregelte Verdauung etwas ist, was unterbrochen wer-
den muss, wenn es nicht langweilig werden soll!
Ich kann euch sagen: Ich hab die Nützlichkeit geschmeckt. Die
guten Eltern waren keine Prosaiker, wenn′s nicht nötig war. Aber
als ich vierzehn Jahre alt war, da hieß es: „Der große Junge braucht
wohl kein Spielzeug mehr; der kriegt diesmal was Nützliches.“
Natürlich stimmte ich stolzen Herzens zu; es war ja noch vierzehn
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